Heute stellen wir euch Vreni Jäckle, Jana Braumüller und Nina Lorenzen vor. Sie haben die Community Plattform Fashion Changers gegründet.
Dass sich etwas in der Modeindustrie ändern muss, ist mittlerweile vielen bekannt. Ein zentrales Thema des Modeaktivismus ist die Forderung nach fairen Produktionsbedingungen für Arbeiter*innen. Bei der Umstellung des Konsumverhaltens ist es neben dem Kauf von Second Hand Kleidung, Tauschen und der Unterstützung von Fair Fashion eine absolut nachhaltige Variante, sich Kleidung selbst zu nähen. Für euch treffen wir spannende und inspirierende Persönlichkeiten, die sich für faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz einsetzen und als Sprachrohr einer neuen Bewegung funktionieren. Wer diese Menschen sind und was sie bewegt, erfahrt ihr hier.

Im zweiten Teil unserer Reihe stellen wir euch die Fashion Changers vor. Mit ihrem Aktivismus wollen sie die Modeindustrie aufrütteln und verändern.
Was ist Fashion Changers und was ist euer Ziel?
Fashion Changers ist eine Community Plattform, für alle, die eine nachhaltigere und fairere Modeindustrie einfordern. Wir haben im Prinzip drei Bereiche: ein Online-Magazin, das Themen rund um Fair Fashion und Nachhaltigkeit abdeckt, wir organisieren Events von Paneldiskussionen bis hin zu Workshops, um die Modebranche in eine nachhaltige Richtung voranzutreiben. Und wir machen politische Arbeit. Das heißt, wir mobilisieren zum Beispiel für Demonstrationen. Ganz aktuell unterstützen wir eine Petition, die ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht für Unternehmen fordert. Unser Ziel ist es, diese Themen sichtbarer zu machen und so das öffentliche Bewusstsein dafür zu erhöhen. Und natürlich andere mobilisieren, sich aktiv einzubringen.
Gab es einen Schlüsselmoment für euch, warum ihr euch für Modeaktivismus entschieden habt?
Wir haben uns schon immer für die politische Seite von Mode interessiert. Je tiefer wir im Thema waren, desto mehr haben wir gemerkt, dass wir Politik und Mode zusammendenken wollen und müssen. Und dass wir andere mobilisieren wollen, sich mit uns für eine bessere Modeindustrie einzusetzen. Und das im besten Fall über das eigene unternehmerische Handeln hinaus. In Anbetracht der Klimakatastrophe reicht es aus unserer Sicht nicht mehr, wenn Medienschaffende „nur“ über die Schattenseite der Mode schreiben. Oder wenn Unternehmen ein besonders nachhaltiges Material für ihre neue Kollektion verwenden. Wir müssen uns alle fragen: Wie können wir uns darüber hinaus positionieren? Welche Zukunft halten wir für lebenswert und was können wir dafür tun? Was müssen wir von der Politik einfordern? Es ist an der Zeit, dass wir uns nicht nur als Konsument*innen, sondern auch als mündige Bürger*innen verstehen, die eine politische Stimme haben.
Was muss sich verändern, um nachhaltige und faire Mode zugänglicher zu machen?
Das ist natürlich die große Preisfrage. Am Ende müssen alle mitmachen. Wir, die Mode kaufen, müssen immer und immer wieder sagen, was uns wichtig ist und es aktiv von Unternehmen und Politik einfordern. Auf der anderen Seite müssen Unternehmen endlich ehrlich und selbstkritisch Menschenrechte und Klimaschutz in ihre Unternehmens-DNA integrieren und dabei auch in Kauf nehmen, dass das etwas kostet. Der Profit kann nicht ewig an oberster Stelle und die Nachhaltigkeit an letzter stehen. Die Politik muss endlich von dem Glaubenssatz loskommen, dass der freie Markt alles regeln wird. Das wird er nicht, das haben wir in den letzten Jahrzehnten eindrücklich beobachten können. Es braucht einen gesetzlichen Rahmen. Das hat nichts damit zu tun, dass man Unternehmen alles Mögliche verbieten will, sondern schlicht mit der Frage: Was sind wir als Gesellschaft bereit zu akzeptieren? Und wie lange wollen wir Profit noch über die Umwelt und Menschenrechte stellen?

Warum bringt ihr Aktivismus, Mode und Feminismus zusammen?
Ungefähr 80% aller Textilarbeiter*innen sind Frauen. Mode ist also ein hochfeministisches Thema! Man kommt unserer Meinung nach gar nicht drumherum zu fragen: Wo kommen meine Sachen her und kann die Frau, die sie genäht hat, wohl von ihrem Job leben? Hat sie einen sicheren Arbeitsplatz, ohne unterdrückt oder belästigt zu werden? Mode ist ein so schönes, kraftvolles Tool, das Frauen bestärken kann – das sollte dann allerdings unbedingt auch für die Frauen gelten, die in der Produktion arbeiten. 2019 sind manche der Meinung, dass niemand mehr Feminismus braucht. Die Modebranche zeigt aber ganz klar, dass Feminismus noch lange nicht ausgedient hat, denn: Auf den CEO-Posten sitzen fast ausschließlich Männer. Und deren abstruse Gehälter sind auch dadurch möglich, dass auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette Frauen für einen Hungerlohn an der Nähmaschine sitzen. Feminismus und Mode gehören also zusammen.
Was kann jede*r selbst tun, um faire Mode zu unterstützen?
Es gibt inzwischen ganz viele tolle Möglichkeiten. Zum einen ist die Auswahl an fairen Marken wirklich immens gestiegen. Einige davon zeigen wir auf unserer Seite. Wer sich gerne nachhaltiger kleiden möchte, muss aber keineswegs losgehen und jetzt ganz viele neue, faire Sachen kaufen. Meistens hat man schon genug im Schrank. Zu einem nachhaltigen Umgang mit Kleidung gehört auch, dass man sie gut pflegt und möglichst lange trägt. Wenn man mal Abwechslung möchte, kann man außerdem auch Kleidung leihen, z.B. bei Fairnica oder Stay Awhile oder auch Kleidung mit Freund*innen tauschen. Wichtig finden wir außerdem, dass man die eigene Stimme nutzt: mal im Lieblingsladen nachfragen, warum sie keine faire Mode verkaufen, andere aufklären oder einfach ins Gespräch kommen. Und natürlich all die tollen NGOs unterstützen, die sich für eine fairere Bekleidungsindustrie einsetzen – mit Zeit oder Geld.
Seht ihr momentan eine Veränderung in der Modewelt und im Bewusstsein der Konsument*innen?
Ja, wir merken definitiv, dass das Bewusstsein steigt. Mit der Klimabewegung wird auch vielen klar, dass auch Mode ein echter Klimakiller ist. Wir wollen aber auch keine Märchen erzählen: Der Marktanteil von fairer Mode ist nach wie vor sehr gering und die großen Fast Fashion Ketten machen weiterhin Rekordumsätze. Inzwischen spricht man bei manchen Brands sogar schon von Ultra Fast Fashion – da werden pro Woche 4500 neue Teile auf den Markt gebracht. Das ist beinahe unglaublich, wenn man bedenkt, dass es ursprünglich lediglich zwei Kollektionen im Jahr gab. Auf der anderen Seite merken wir aber auch, dass auch Konzerne immer mehr wahrnehmen, dass Konsument*innen Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Und wenn die Politik mitmacht, sind wir zuversichtlich, dass sich in den nächsten Jahren viel verändern kann. Bis dahin müssen wir weiterhin Druck aufbauen.