Wie du hier im Magazin schon lesen konntest, habe ich mich damit befasst, wie sich unser Konsumverhalten positiv auf Nachhaltigkeit in der Modeindustrie auswirken kann. Dabei haben wir uns das Konzept der ‚Buyerarchy of Needs‘ angeschaut, welches von der kanadischen Illustratorin Sarah Lazarovic visualisiert wurde. Die Schlussfolgerung war, dass wir damit aufhören müssen, Mode als Wegwerfgut und stattdessen als funktional und langlebig zu betrachten. Nachhaltige Mode sollte Teil unseres Alltags werden.
Der einfachste Weg für nachhaltige Mode ist, unsere Kleidung mehr wertzuschätzen und das zu benutzen, was wir schon besitzen.

Es gibt viele Möglichkeiten, nachhaltig zu handeln, bevor wir neue Kleidung kaufen. Mit dem Schritt, einfach das zu nutzen, was wir schon besitzen, fängt es gerade erst an. Wir können uns auch Dinge ausborgen, mieten, gebraucht kaufen, tauschen oder einfach selbst machen.
Ich möchte mich deshalb noch genauer mit dem MAKE-Teil von Lazarovic’s Pyramide auseinandersetzen und zeigen, dass die Maker-Community zweifellos wichtig für Nachhaltigkeit im Modebereich ist, da man dort die stärkste Veränderung im Denken findet: Als Maker begibst du dich von der passiv konsumierenden Rolle in die aktiv gestaltende Rolle.
The Buyerarchy of Needs und der Makers Guide für nachhaltige Mode


The Buyerarchy of Needs der kanadischen Illustratorin Sarah Lazarovic // The Maker’s Guide to Sustainable Fashion von Makerist
Wenn du deine eigene Kleidung herstellst, kannst du dich damit dem System von Fast Fashion entziehen. Wir finden, dass das Selbermachen (nicht nur von Kleidung, sondern generell von Dingen) ein wichtiger Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag ist, und ich möchte meine Erfahrungen und Gedanken dazu gerne mit dir teilen:
Die Motivation für das Nähen und Stricken, die ich bei unserer Makerist-Community beobachtet habe, entsteht nicht nur aus dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit, sondern es kommen noch weitere Faktoren dazu. Für manche Leute spielt nicht nur Nachhaltigkeit eine Rolle, es geht auch um Problematiken wie das Finden der richtige Größe und die Passform von Kleidung. Was auf alle Projekte zutrifft, ist außerdem der Wunsch nach einem individuellen Stil, der Wunsch nach Entspannung mit dem liebsten Hobby oder der Wunsch, ein wirklich tolles Geschenk zu machen, das von Herzen kommt.
Nachhaltigkeit ist vielleicht nicht ausschließlich der erste Grund, warum Maker an die Nähmaschine hüpfen oder ihre Stricknadeln in die Hand nehmen, aber es ist einer von vielen Gründen. Maker sind Teil einer Community, die Inspiration auf einem besonderen Meta-Level anbietet: Menschen die sich mit dem Prozess des Selbermachens auseinandersetzen, geraten von der Rolle der Konsument*innen in die Rolle der Schöpfer*innen. Hier ändert sich die Denkweise: Wenn man entwickelt und entwirft anstatt blind zu konsumieren, wird man aktiv und übernimmt Verantwortung. Beim Selbermachen geht es oft viel mehr um den Herstellungsprozess an sich als nur um das finale Produkt. Es geht darum, wie wir uns entscheiden, unsere Zeit zu nutzen.
Der Makers Guide: Mode nachhaltig gestalten

Wie sieht das ‚Make‘ aus, wenn wir es in viele kleine Schritte herunterbrechen und wie trägt jeder einzelne Schritt zu einem gesunden und nachhaltigen Verhältnis zu Mode bei? Hier ein paar Ideen und Lösungsansätze:
Plan your wardrobe – Plane deine Garderobe

Erstelle deine eigene Garderobe zum Kombinieren. Egal ob Maker oder nicht: das Planen und Durchdenken der eigenen Garderobe ist der erste Schritt auf der Reise. Wenn du ein Kleidungsstück nähst, heißt es nicht automatisch, dass du sofort das zweite Teil nähst, denn ein größerer Faktor als die Kosten ist der Zeitaufwand. Ein Kleidungsstück zu nähen oder zu stricken erfordert auch im Vorhinein mehr Zeit als der Kauf von Kleidung. Zusätzlich zu der Frage, wie du das neue Stück tragen und kombinieren willst, musst du während des kreativen Prozesses auch noch Idee, Schnittmuster und Material zusammen bringen. Sobald du mit dem Prozess des Selbermachens angefangen hast, kann es ein Projekt werden, das einiges an Zeitaufwand erfordert.
Denke darüber nach, welche Kleidung du gerne haben möchtest oder für verschiedene Anlässe brauchst. Schau, welche Basics in deiner bestehenden Garderobe dabei schon eine zentrale Rolle spielen könnten. Welche Art von Kleidung trägst du zur Arbeit? Was trägst du gerne in deiner Freizeit, wie oft brauchst du wirklich extravagante Kleidung? Denk genau darüber nach, was du wirklich regelmäßig benötigst und investiere dort deine Energie und deinen Fokus. Eine unserer Makerist Designerinnen, Elke von Elle Puls, bietet genau dazu einen Online Kurs an: Nähe deinen Stil.
Know your fabrics – Kenne deine Stoffe


Wer Dinge selber macht, sollte die genutzten Materialien kennen. Wenn man immer wieder Kontakt mit bestimmten Materialtypen hat, bekommt man ein viel besseres Gefühl für Kompositionen und ein Gespür dafür, welche Typen von Stoff am besten für welchen Typ Kleidung geeignet sind. Du merkst, wie sich gewisse Stoffe im Laufe der Zeit tragen lassen und eventuell verändern und was beispielsweise nach dem Waschen passiert. Bestimmt bekommst du dann direkt Lust, nur noch hochwertige Materialien zu verarbeiten.
Am besten wäre es, nur biologische und natürliche Materialien zu verwenden, aber für viele Maker kann es finanziell sehr einschränkend sein, ausschließlich mit hochwertigen Bio-Stoffen zu arbeiten. Außerdem ist es nicht zwangsläufig so, dass dies automatisch die nachhaltigste Variante ist. Ich denke hier gerne holistisch: Überlege dir, welche Materialien für deine Verwendungszwecke am langlebigsten sein werden und sich langfristig am besten von dir tragen lassen.
Letztendlich spielt auch Innovation eine Rolle, denn auch der Materialverbrauch lässt sich immer wieder optimieren. Es gibt Schnittmusterdesigns die extra so angelegt sind, dass Textilabfälle verringert werden. Auch Materialtausch zwischen Gestaltenden ist eine gute Möglichkeit, um Ressourcen zu schonen. Zusätzlich findet sich inzwischen an vielen Stellen Inspiration für DIY-Projekte aus Materialresten.
Make your masterpiece – Nachhaltige Mode selbst herstellen


Handgemachte Kleidungsstücke sind eine Investition, denn jedes Projekt benötigt in seiner Herstellung Zeit und Aufwand. Ich selbst kann beispielsweise pro Saison nur einen Pullover stricken, mehr ist für mich nicht schaffbar. Ich verbringe dann immer mehrere Abende mit meinem Projekt und liebe es schon, bevor ich es überhaupt trage. So viel von meiner kostbaren Zeit in ein Kleidungsstück aufzubringen, verbindet mich emotional damit und führt dazu, dass ich es noch viel mehr tragen möchte. Dieser Aspekt der Zeitinvestition in ein selbstgemachtes Projekt schafft Bewusstsein für den menschlichen Aufwand der Kleidungsproduktion. Stell dir vor, was so ein gestrickter Pullover kosten müsste, wenn ich mir selbst einen Stundenlohn für das Stricken zahlen würde! Genau wegen dem Zeitfaktor den es kostet, Kleidung selbst zu machen, sind Maker in der perfekten Position, die humanen und ethischen Kosten von Fast Fashion zu verstehen.
Die negativen sozialen Auswirkungen von Fast Fashion hängen mit den fallenden Preisen und schnell wechselnden Modekollektionen zusammen. Das wiederum führt zu schlechten Arbeitsbedingungen, schlechter Bezahlung und im schlimmsten Fall zu Kinderarbeit und moderner Sklaverei. Der Großteil der Kleidungsproduktion wurde mittlerweile nach Übersee verlagert, wo Firmen nicht die gleichen Standards für Löhne und Sicherheit am Arbeitsplatz wie in ihren Heimatländern einhalten müssen. Wenn eine Industrie global agieren kann, sollten auch die Standards des Arbeitsrechts global anwendbar sein. Das genau ist die Prämisse hinter der #FairByLaw Kampagne von Lisa Jaspers, welche wir hier im Magazin bereits vorgestellt haben. Mit der Kampagne soll die Regulierung der Arbeitsrechte über die Grenzen hinweg und entlang der ganzen Wertschöpfungskette anwendbar gemacht werden.
Wear it often – Trage es oft


Lass uns ehrlich sein: es gibt so viele Anlässe, um Kleidung zu tragen. Trage das was du magst viel öfter. Du wirst immer Freude haben, wenn du etwas Handgemachtes trägst. Und wir werden sehen ob du dem Bedürfnis widerstehen kannst, allen Menschen im Laufe des Tages zu sagen, „Schaut, das habe ich selbst gemacht!“ Wenn du dir ein Kleidungsstück ausgesucht, die besten Materialien ausgewählt und dann Stunden damit verbracht hast, dein Kleidungsstück herzustellen, dann möchtest du es auch so oft wie möglich tragen. Handgemachte Kleidungsstücke werden wie gute Freund*innen. Es ist schön, stolz auf die eigene Kreation zu sein!
Ich zeige meine fertigen Kleidungsstücke gerne auf meinem Makerista Instagram Account oder in meiner Makerist Werkschau damit auch andere Leute inspiriert werden, ein neues Projekt anzufangen oder mit mir ins Gespräch kommen. Zeig uns deine Werke auch gerne bei Instagram und nutze den Hashtag #makerist. Wir teilen regelmäßig die tollsten Werke in unserer Story.
Trage deine selbstgemachten Kleidungsstücke mit Stolz und trage sie oft – allein schon das hat eine positive Auswirkung auf die Umwelt. Kleidung länger zu tragen kann erheblich dazu beitragen, Treibhausgase zu reduzieren. Wenn man Kleidungsstücke zwei Jahre lang statt nur ein Jahr lang trägt, kann diese die Emissionen um 24% verringern (Quelle: Greenpeace, Timeout for Fast Fashion).
Upcycle or alter – Upcycle oder nähe um

Du brauchst eine Veränderung? Ein extravagantes Stück für nur einen einzelnen Anlass? Das ist genau der richtige Moment, um Dinge umzunähen und zu überarbeiten. Nimm dir ein Stück, das du bereits in deinem Kleiderschrank hast (egal ob gekauft oder handgemacht) und überlege dir, wie du es so verändern kannst, dass es für dich einen neuen Zweck erfüllt. Das ist eine super Möglichkeit, um deine Kreativität zum Ausdruck zu bringen und um mit dem Selbermachen loszulegen, auch wenn das Arbeiten mit der Nähmaschine vielleicht noch neu für dich sein sollte. Es gibt so viele schnelle und einfache Ideen, um Kleidung einen neuen Look zu verpassen. In einigen Fällen brauchst du zum Beispiel nur eine Schere, ein Bügeleisen und ein wenig Stickgarn. Einfacher geht es kaum!


Beim letzten Lollapalooza Festival in Berlin hat unser Makerist Team eine tolle Alternative zu Fast Festival Fashion bereitgestellt. Wir haben in Zusammenarbeit mit Humana eine Menge gebrauchter Kleidung mit den Besucher*innen verziert und überarbeitet. Diese Art von Events mit hoher Sichtbarkeit, viel Spaß und Kreativität sollten auch bei Festivals daran erinnern, dass man für ein einzelnes Event nicht extra neue Kleidung kaufen muss.
Repair and mend – Repariere und bessere aus

Noch für unsere Großeltern war es absolut normal und Teil des Alltags, Hosen zu kürzen, das Innenfutter von Jacken zu reparieren, Löcher in Wollsocken zu stopfen und verlorene Knöpfe wieder anzunähen. Heute fehlt es vielen Menschen an den Fähigkeiten oder auch an der Zeit, ihre Kleidung zu reparieren. Stattdessen ersetzen sie die Dinge lieber durch etwas Neues, da dies oft viel schneller und auch günstiger geht.

Laut eines Greenpeace Berichts gibt über die Hälfte der deutschen Bevölkerung zu, noch nie Kleidung selbst repariert oder sie dafür zur Schneiderei gebracht zu haben (Quelle: Greenpeace Bericht ‚Wegwerfware Kleidung‘). Das Reparieren von Kleidung spart nicht nur Geld welches man sonst für den Kauf neuer Kleidung ausgeben würde, sondern trägt auch dazu bei, dass geliebte Stücke länger halten. Sichtbare Ausbesserungen wie zum Beispiel das Aufbügeln oder Annähen von Patches oder die japanische Textilverziertechnik Sashiko werden immer beliebter. Außerdem kannst du dadurch deine Kreativität und dein Können zum Ausdruck bringen, versuch es einfach mal!
Repurpose – Verwende es wieder

Zu irgendeinem späteren Zeitpunkt – hoffentlich nach langer Nutzung und viel Liebe – sind manche Kleidungsstücke dann wirklich einfach zu kaputt, um sie noch zu retten. Vielleicht sind die Knie der Jeans schon so viele Male gerissen oder der Stoff ist schrecklich ausgedehnt und rissig.


Denke dann an einen Kreislauf bei der Nutzung der Materialien und frage dich, wie du sie weiter verwenden kannst. Alte Jersey-Shirts lassen sich zum Beispiel gut in elastische Wolle für ein neues Projekt umwandeln. Du könntest eine wiederverwendbare Einkaufstasche aus einem alten T-Shirt machen oder einen alten Winterpulli in gemütliche Handschuhe verwandeln.
Es gibt so viele inspirierende DIY-Projekte zum Thema Weiterverwertung. Inzwischen haben sich sogar viele Modelabels etabliert, die genau an diesem Punkt ansetzen. Eine Hamburger Firma namens Bridge & Tunnel verwandelt beispielsweise alte Jeans in neue Kleidungsstücke oder dekorative Taschen und Kissen. Wenn du noch weitere Ideen dafür brauchst, was du aus deinen alten Materialien Neues zaubern kannst, schau dich gerne auch hier im Magazin unter unseren Upcycling-Projekten um. Wir sind gespannt, was du draus machst!
Ich hoffe, dass du dich von unserem Guide für nachhaltigere Mode inspirieren lassen konntest und einige der Tipps und Gedanken in dein Konsumverhalten mit einfließen lassen kannst. Aus dem klassischen Zyklus von Fast Fashion auszubrechen ist nicht nur wichtig für unsere Umwelt, sondern macht auch unheimlich viel Spaß!